Lern doch mal Toleranz

Ach ja, die wunderschöne Toleranz ist in aller Munde. Was wäre es doch für eine Welt mit weniger Ausgrenzung und mehr Toleranz! Die anderen sind ja so intolerant! Wären sie doch bloß wie ich!

Woher kommt eigentlich unsere (nicht) vorhandene Toleranz? Es lässt sich wohl nicht leugnen, dass wir sie von unserer Umgebung erlernen. Da wären das Elternhaus, Erzieher, Lehrer und Freunde. Und sicher haben die Eltern den größten Einfluss darauf, denn mit unserem Verhalten und unseren Bemerkungen zeigen wir jeden Tag, wie ernst wir es mit der Toleranz meinen.

Wenn wir heute von Toleranz sprechen, meinen wir in der Regel die Akzeptanz von Menschen, die durch Meinungen, Äußerlichkeiten, Religiosität oder kulturelle Verhaltensweisen auffallen und nicht der Norm der Landesbevölkerung entsprechen. Doch wo beginnt für unsere Kinder Toleranz? Beginnt sie tatsächlich erst mit dem Willkommensschild für Flüchtlinge?

Kinder sind von Natur aus tolerant. Sie werden tolerant geboren, weil sie nichts beurteilen und alles so nehmen, wie es ihnen geboten wird. Sie spielen mit jedem Kind. Völlig wertfrei. Aus purer Liebe. Ihr Überleben ist von der Fürsorge der Erwachsenen und ihrer Fähigkeit des Beobachtens abhängig. Sie lernen durch Nachahmung.

Wenn wir dann abfällig über intolerante Menschen sprechen, werfen wir ihnen vor, dass sie Flüchtlinge nicht mit vermeintlich offenen Armen begrüsst, Angst vor deren Andersartigkeit und Meinungen nicht akzeptiert hätten. Was haben ihre Eltern bloß falsch gemacht?!

Und dann beobachte ich… Weiterlesen

Werbung

Philosophier doch mal!

Was ist Glück? Was ist ein Freund? Warum bauen Menschen Waffen? Warum zerstören Menschen die Natur? Was ist Liebe?
 
Als unsere Tochter vier Jahre alt war, fragte sie mich plötzlich abends im Bett, warum Babys sterben müssten. Ich war etwas irritiert und erinnerte mich dann, dass eine Freundin kurz vorher einen Satz über einen Bericht im Radio zum Thema Fehlgeburten erzählt hatte. Unsere Tochter bewegte dies tief. Wir unterhielten uns darüber, sprachen über den Tod und dass jeder Mensch einmal stirbt. Sofort schlussfolgerte sie, dass auch Mama und Papa sowie ihre Großeltern sterben würden. Ein paar Minuten war sie völlig aufgelöst, als sie daraufhin erkannte, dass wir wohl eher als sie sterben würden.
 
Es war ein sehr bewegender Moment, dessen Zeitpunkt mich besonders überraschte. Nie hätte ich vermutet, solche Gespräche schon so früh zu führen. Doch es bot uns die Chance, gemeinsam aus dieser Trauer wieder herauszufinden und zu erkennen, dass der Tod zwar zu unserem Leben gehört, doch uns nicht beängstigen muss und auch nichts Schlimmes ist. Am Ende des Gespräches schlief sie mit einem Lächeln ein. Seitdem haben wir oft solche Gespräche abends im Bett. Über die Entstehung der Erde, Krieg, Waffen, Gewalt, Fleischkonsum, Klima, Liebe und vieles mehr. Anfangs war ich unsicher, ob man solche Gespräche zum Einschlafen führen sollte. Klingt nicht gerade nach einer netten Einschlafgeschichte. Doch unsere Tochter forderte es förmlich ein und schlief danach auch nicht schlecht. Es war im Trubel eines Familienlebens der Zeitpunkt, an dem sie wohl am meisten Ruhe zum Nachdenken hatte. Weiterlesen

Die Macht des Schweigens

Eine Mutter versucht, ihr vierjähriges Kind anzuziehen, das wütend mit Schimpfworten um sich wirft und sie mit Händen und Füßen schlägt. Der Vater liest im Nebenraum Zeitung.

Mutter und Vater sitzen mit ihrem Kind am Esstisch. Die Mutter bittet das Kind, ihr das Salz zu reichen. Es reagiert nicht. Der Vater isst wortlos sein Brot weiter.

Der kleine Bruder haut die große Schwester. Die Mutter räumt ohne einen Blick weiter auf.

Wir haben im Alltag viele Bedürfnisse zu stillen. Ob Mutter oder Vater, wir sind oft im Stress, versuchen, alles nebenbei und parallel zu erledigen. Wer soll da noch Augen und Ohren für die kleinen Nuancen unserer Sprache haben? Weiterlesen

Können wir Beziehung?

„Das größte Kommunikationsproblem ist,
dass wir nicht zuhören, um zu verstehen.
Wir hören zu, um zu antworten.“

Verfasser: unbekannt

Mich schrieb vor Kurzem ein sehr interessanter Mensch an, der sich auf wissenschaftlicher und praktischer Ebene mit sehr ähnlichen Themen auseinandersetzt wie ich. Im Zuge des Austauschs empfahl er mir einen Artikel zum Thema Paarbeziehung, in dem es darum ging, wie häufig die Partnerschaft zerbricht, weil es dem Paar nicht gelingt, Zeit, Zuwendung, Abwechslung und Achtung in ihr gemeinsames Wohl zu investieren.

Es animierte mich zu einer etwas längeren Antwort, die ich gerne – in angepasster Form – mit euch teilen möchte, denn eine gute Paarbeziehung der Eltern ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Sie ist für mich die Grundlage einer zufriedenen Familie und gesunder, gestärkter Kinder. Wie ich schon in älteren Artikeln schrieb, sind die meisten Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern auf Unstimmigkeiten zwischen den Eltern und Verstrickungen in der Familie zurückzuführen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Eltern umeinander und um sich selbst, statt nur um die Kinder kümmern.

Doch oft stehen Paare vor scheinbar unlösbaren Konflikten. Das Verhalten des anderen stört. Keiner hört zu. Die Wut wächst. Der Wunsch nach einer zufriedenen Partnerschaft ist zwar da, doch wir wissen einfach nicht, wie wir unseren Partner noch erreichen können. Weiterlesen

Antifragilität im Familienalltag

Es gibt drei Zustände in der Natur:
fragil, also sehr zerbrechlich. Robust, also hart und (nahezu) unzerstörbar.
Und antifragil. Was ist das?

Nassim Nicholas Taleb beschreibt es so:

„Antifragilität ist mehr als Resilienz oder Robustheit. Das Resiliente, das Widerstandsfähige widersteht Schocks und bleibt sich gleich; das Antifragile wird besser […]
Das Antifragile steht Zufälligkeit und Ungewissheit positiv gegenüber, und das beinhaltet auch – was entscheidend ist – die Vorliebe für eine bestimmte Art von Irrtümern. Antifragilität hat die einzigartige Eigenschaft, uns in die Lage zu versetzen, mit dem Unbekannten umzugehen, etwas anzupacken – und zwar erfolgreich –, ohne es zu verstehen.“ (Antifragilität, S. 21/22)

Ich beobachte in vielen Familien hierzulande eine starke Fokussierung auf Strukturen. Um 7 Uhr gibt es jeden Tag Frühstück. Um 12 Uhr gibt es jeden Tag Mittagessen. Um 18 Uhr gibt es Abendessen. Um 20 Uhr gehen die Kinder ins Bett. Und dazwischen zu festgelegten Tagen ein festgelegtes Programm.

Die Begründung: Kinder bräuchten Struktur. Der Körper passe dann auch seinen Hunger und alle anderen Bedürfnisse dieser Struktur an, sodass die Kinder nicht zwischendurch essen wollen und rechtzeitig im Bett liegen, um genug Schlaf für den nächsten Tag zu bekommen. Weiterlesen

Entrüstung der Frauen

Manchmal habe ich den Eindruck, im Leben der Frauen – und Müttern im Besonderen – geht es nur ums „sich Echauffieren“.

„Schau mal, was hat die denn auf dem Kopf? Die Frisur geht ja gar nicht!“, „Also mit dem Po würde ich mich ja nicht auf die Straße trauen!“, „Wie kann man denn mit Highheels auf den Spielplatz gehen?!“. Wir geben Müttern mittlerweile noch eine Schonfrist nach der Geburt. Doch eigentlich nur drei Monate. Und auch nur den anderen. Uns selbst erlassen wir die Erwartungen an die eigene Figur und das Erscheinungsbild nicht, was bei vielen schon nach zwei Wochen zu Selbstkritik und Unzufriedenheit führt. Schließlich sehen die Frauen in der Zeitschrift ja schon am nächsten Tag aus, als hätte sie nie ein Kind bekommen.

Doch es endet nicht beim wahnsinnigen Schönheitsideal. Dann geht es weiter: „Wie kann sie ihr Kind nur so lange schreien lassen?“, „Das arme Kind hat mit drei Jahren immer noch einen Schnuller!“, „Also meine Kinder dürfen keinen Zucker!“. Weiterlesen

Liebe heilt alle Wunden

In Sachen Erziehung gibt es kaum einen Artikel, in dem nicht einmal vorkommt, dass wir unseren Kindern einfach nur viel Liebe geben und sie bedingungslos lieben sollten, damit am Ende alles toll ist. Das hat sich mittlerweile auch bei den meisten eingeprägt, und wir klopfen uns stolz auf die Schulter „Wir machen das viel besser als unsere Eltern“.  Was die Artikel dabei aber nicht erklären: was ist eigentlich Liebe? Was heißt bedingungslos zu lieben?

Liebe kann nur sehr individuell definiert werden, daher wird es oft einfach gar nicht definiert. Durch Alltagsbeispiele würde man aber zumindest eine Idee erhalten, was bedingungslose Liebe bedeutet. Leider erkennen wir dabei, dass wir uns oft überhaupt nicht bedingungslos liebend gegenüber unseren Kindern verhalten und wir auch längst nicht die bessere Einstellung haben als die Generationen vor uns. Weiterlesen

Ich hatte das aber zuerst

Der Traum jedes schlichtungswilligen, zur Rettung bereiten Erwachsenen… Viele Erwachsene – besonders gerne Erzieher – fordern und fördern diese Auseinandersetzung zwischen Kindern.

Doch was war eigentlich vorher geschehen?

> Anna spielt mit einer Schaufel.
> Anna legt die Schaufel neben sich, dreht sich um und spielt mit einem Eimer.
> Paul entdeckt die herumliegende Schaufel und nimmt sie sich.
> Anna sieht, dass Paul die Schaufel nimmt.
> Anna sprintet zur Schaufel und zieht daran.
> Anna schreit.
> Paul schreit.
> Anna ruft: „Ich hatte die aber zuerst!“
> Paul ruft: „Ich will die aber!“
> Anna schaut hilfesuchend zu Mama.

Weiterlesen