Jede fünfte Doku im Fernsehen handelt mittlerweile davon. Jede Frauenzeitschrift beschäftigt sich mit dem Thema. Übergewicht.
Es ist nicht nur mühsam im Alltag, es setzt unserer Gesundheit auch stark zu. Insbesondere bei Kindern. Immer mehr Kinder leiden schon in frühen Jahren an Diabetes Typ 2 und kennen schon lange kein Hunger- oder Sättigungsgefühl mehr.
Trotz stärkerer Aufklärung sieht man immer noch Kinder, die schon mit einem Jahr Cola trinken und dabei fast stolz von ihren Eltern (die ebenfalls Cola trinken) betrachtet werden. Wie wir alle wissen, besteht Cola neben Wasser vor allem aus Zucker und Koffein. An dieser Stelle frage ich mich immer, ob diese Eltern ihrem Kleinkind auch Kaffee zum Frühstück anbieten. Gezuckert natürlich.
Der Verzehr von Zucker in Lebensmitteln sowie Getränken wird immer häufiger in Zusammenhang mit AD(H)S gebracht. Auch wenn der Zucker keine Ursache für AD(H)S ist, wirkt er mit Sicherheit auch nicht förderlich. Vor ein paar Tagen saß ich in der Bahn und sah zwei ca. 10jährige Jungen, die genüsslich je eine Dose Energydrink tranken. Diese Softdrinks wurden entwickelt, um das Verlangen der wachsenden Party-Gesellschaft nach mehr Energie zum Tanzen und Feiern zu stillen. NICHT um Kindern eine Zwischenmahlzeit zu sein. Ob diese Getränke nun gut für Erwachsene sind, sei mal dahingestellt. Für Kinder sind sie definitiv nicht geeignet. Wenn sich diese Eltern dann noch wundern, warum das Kind abends nicht ins Bett will oder tagsüber immer so aufgedreht ist, bin ich einfach nur noch sprachlos.
Hinzu kommt, dass Zucker sehr starken Einfluss auf unseren Insulinspiegel hat. McDonalds hat das schon vor vielen Jahren erkannt und gibt seinen Produkten daher immer eine gute Portion Süße zu, damit sich unser Gaumen und unser Gehirn auch ja in besonderem Maße freuen. Unser Gehirn braucht Energie. Es braucht so viel Energie, dass es sich über jedes Körnchen Zucker wie ein Honigkuchenpferd freut. Da sich Kinder per se in der Wachstumsphase befinden, freut sich auch ihr Körper über die „leichte Energiezufuhr“. Im Moment der Zuckeraufnahme schnellt unser Insulinspiegel in die Höhe, um sogleich wieder zu fallen, wenn er seinen Höhepunkt erreicht hat. Das löst bei uns leider erneut Hunger aus. – McDonalds freut sich, die Umsatzzahlen steigen – Unsere Kinder verlernen also langsam ihr Sättigungsgefühl. Ihr Magen meldet: „Bin voll!“. Ihr Gehirn sagt: „Mehr, mehr, mehr!“ Also essen wir, wenn wir können. Wir sind evolutionär getrimmt, möglichst viel Nahrung aufzunehmen, wenn sie da ist. Vor 100.000 Jahren wären wir gestorben, hätten wir uns erst Gedanken gemacht, ob das unserer Figur oder unserer Gesundheit schaden könnte. Allerdings liefen wir damals auch mehrere Kilometer am Tag, hatten nicht täglich etwas zu essen, mussten uns auf einen harten Winter vorbereiten und konnten davon ausgehen, dass die Nahrung naturbelassen war. Wenn wir Kindern also Süßigkeiten anbieten, werden sie zugreifen. Ich habe noch kein Kind erlebt, das nicht wenigstens einen Bissen haben möchte. Neben dem Insulin bewirkt die Aufnahme von Zucker aber auch im ersten Moment ein Gefühl von Freude. Der Körper verbindet so von Kindesbeinen an Süßigkeiten mit Freude. Das ist grundsätzlich nicht schlimm. Es ist nur dann fatal, wenn es keine Alternativen kennt, den Supermarkt direkt vor der Haustür und für Sport keine Zeit hat.
Bis hierhin für die meisten nichts Neues.
Kommen wir zum Ursprung der Gier nach Süßem neben der Funktion im Körper.
Ich denke, es ist allen klar, dass wir als Eltern eine Vorbildfunktion haben und unsere Kinder letztlich nur das nachahmen, was wir ihnen vorleben. Haben wir auf unserem Wohnzimmertisch immer Schokolade liegen, trinken wir selbst jeden Tag Softdrinks wird unser Kind das auch irgendwann verlangen. Je mehr zuckerhaltige Lebensmittel wir essen, desto mehr neigen wir dazu, ständig zu essen. Damit geht auch einher, dass wir unser Sättigungsgefühl verlernen.
Doch es wird mittlerweile noch eine weitere Quelle für das Daueressen verantwortlich gemacht.
Immer weniger Mütter stillen ihre Kinder. Der Saugreflex eines Kindes ist jedoch so stark, dass es in den ersten Monaten das Verlangen nach Nahrung und jegliche Gefühlsschwankungen über das Saugen stillen möchte. Wird der Saugreflex nicht bedient, weint es spätestens, wenn es sich unwohl fühlt und die Sicherheit der Mutter spüren möchte. Stillt eine Mutter also nicht, wird das Kind als erstes mit künstlicher Nahrung gefüttert. Danach weinen viele Babys aber immer noch, denn das Stillen ist längst nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern eben auch das Stillen des Bedürfnisses nach Wärme, Schutz und Nähe. Auch wenn das Kind liebevoll im Arm gehalten wird, schreit es oft weiter. Was hilft? Der Schnuller. Zu Beginn spucken die meisten Babys diesen noch aus, aber wir Mütter sind ja beharrlich. Und irgendwann bleibt der Schnuller drin und erfüllt seinen Zweck: Das Kind ist leise und schläft ein.
Doch was lernt das Gehirn des Kindes?
Ich sauge und sauge, aber ich bekomme keine Nahrung.
Mich beruhigt das Saugen, also brauche ich immer etwas im Mund.
Mal ganz abgesehen davon, dass der Schnuller meist dann zum Einsatz kommt, wenn die Mütter Ruhe haben wollen und somit das Baby lernt, dass seine Gefühlsäußerungen nicht ernst genommen werden, ist sein Mund ständig in Bewegung und sein ganzer Körper ständig in Nahrungserwartung. Wir kennen das selbst: Wenn man uns leckeres Essen vor die Nase stellt, selbst wenn wir nur daran denken, läuft uns die „Spucke im Munde zusammen“. Unser Gehirn reagiert auf den möglichen Erhalt von Nahrung enorm sensibel. Es war Jahrtausende überlebensnotwendig für uns!
Meine Beobachtungen in der Praxis ergaben, dass sehr viele Babys mit Schnuller enorm viel essen. Sie gehen quasi von Schnuller im Mund direkt über zum Essen. Dabei muss das Essen keinen Zucker enthalten. Es wird alles reingeschaufelt, was essbar aussieht. Bei zuckerhaltigen Lebensmittel ist die Drang danach dann besonders groß. Auch die künstliche Nahrungszufuhr anstelle des Stillens im Säuglingsalter kann darauf Einfluss haben, denn Folgemilch und dergleichen sind meist leicht gesüßt oder haben von Natur aus einen süßlicheren Geschmack.
Es gibt sogar Forscher, die einen Zusammenhang zwischen Schnuller und späterem Rauchen sehen. Das Rauchen ist das Stillen des Saugreflexes im Erwachsenenalter. Nicht umsonst sagt man, dass die meisten zunehmen, wenn sie das Rauchen aufgeben. Die Zigarette stillt das Saugbedürfnis und hält den Mund in Bewegung. Ist die Zigarette weg, muss halt echte Nahrung her.
Oft werden Süßigkeiten von Erwachsenen auch als Belohnung und anstelle von körperlicher Zuwendung verwendet. Kinder lernen, wenn ich etwas toll gemacht habe, gibt’s Süßigkeiten. Ich werde zwar nicht von meiner Mama umarmt, aber ich erlebe körperlich ein Hochgefühl durch den Zucker. Wenn ich mich unwohl oder einsam fühle oder mir etwas Gutes tun will, esse ich Süßigkeiten.
Zu Beginn der Schwangerschaft war ich absolut gegen Süßigkeiten in jeglicher Form. Ich wollte nicht, dass unsere Tochter Kekse oder Kuchen oder sonst etwas Zuckerhaltiges isst. Mein Mann isst zwar auch nicht viel Süßes, ganz ohne lebt er aber auch nicht. Und spätestens bei all den liebe Nachbarn und Verwandten, die dem Kind ja etwas „Gutes“ tun wollen und denen scheinbar auch nichts anderes außer Kekse und Schokolade einfällt, kommt man mit diesem Vorhaben an seine Grenzen.
Da ich jedoch lange voll und nach zwei Jahren immer noch stille, gibt es für unsere Tochter bis heute nichts Schöneres als Muttermilch. Dafür wird jeder Kuchen stehen gelassen. Ich kam also zu dem Schluss, dass es nicht darum geht, Süßigkeiten zu verteufeln und zu verbieten. Denn wie jeder in seiner Kindheit festgestellt hat, ist oft gerade das interessant, was unsere Eltern nicht wollen. Worum es letztlich geht, ist, den Verzehr von Süßem nicht in den Vordergrund zu stellen, nicht anstelle von Zuneigung zu verwenden und vor allem nicht als Dauerverlockung auf den Tisch zu stellen. Gesüßte Getränke sind für uns immer noch ein No-Go, ebenso wie Säfte, die der Körper einfach nicht braucht. Ein Stück Kuchen oder Kekse, ebenso wie ab und zu mal Schokolade sind nicht von sich aus böse. Viel wichtiger ist, dem Kind genügend körperliche Zuwendung zuteil kommen zu lassen, es nicht mit Lebensmitteln, egal welcher Art, zu belohnen und – ganz wichtig!!! – sein Sättigungsgefühl zu stärken!
Jedes Baby weiß ganz genau, was und wie viel es braucht. Ein Baby überisst sich nicht! Studien haben ergeben, dass schon Babys tatsächlich die Nahrungsmittel zu sich nehmen, die genau die Bestandteile haben, die ihr Körper gerade braucht, sofern sie Lebensmittel in ihrer natürlichen Form kennengelernt haben.
Bei unserer Tochter haben wir den lebenden Beweis, dass ein Kind nicht jedes Stück Kuchen aufessen will, nur weil es süß ist. Sie isst gern Kuchen, aber sie lässt ihn dennoch fast immer nach drei Bissen liegen. Das Essen war noch nie im Fokus. Viel interessanter war immer, was es neben dem Tisch zu entdecken gibt.
Ich will auch nicht die Gabe des Schnullers verteufeln. Ich weiß, es gibt genügend Frauen, die nicht stillen können und für die der Schnuller eine große Erleichterung ist. Einmal damit angefangen, geben die meisten Kinder ihren Schnuller auch nicht mehr her. Was will man da tun? Wie ich schon in dem Artikel Eltern schenken das Leben schrieb, gibt es keine schlechten Eltern. Wenn das Kind auf seinen Schnuller nicht mehr verzichten möchte, würde ich dafür plädieren, es selbst entscheiden zu lassen, wann es ihn ablegt. Ebenso wie beim Stillen.
Ich möchte also alle motivieren, Zuwendung nicht über Essen auszudrücken, Kindern die Herrlichkeit am Zubereiten natürlicher Lebensmittel zu vermitteln und darauf zu vertrauen, dass jedes Kind von Geburt an ein natürliches Sättigungsgefühl hat. Es darin zu unterstützen, ist das Beste, was wir tun können.