Mit sechs Jahren begann das Thema: Der Freund unserer Tochter bekam 1€ Taschengeld pro Woche. Er wollte sehr häufig Zeitschriften oder andere Sachen beim Einkaufen, also beschlossen seine Eltern, er solle diese Wünsche mit seinem eigenen Geld bezahlen und so den Wert des Geldes erfahren. Wir hatten bis dahin nicht über dieses Thema nachgedacht. Aber fangen wir beim Anfang an….
Mein Mann und ich sind als Einzelkinder bezogen auf Geschenke und Geld in einem gewissen Überfluss aufgewachsen. Zugleich waren unsere Familien nicht unglaublich reich. Dass das Geld auch bei uns Grenzen hat, war häufig Thema. Es sollte nur nicht uns Kinder betreffen. Ich habe nie Taschengeld bekommen, bekam allerdings als mit Abstand jüngstes Kind der Familie von allen Verwandten Geschenke. Zudem liebte es meine Mutter, mir Geschenke mitzubringen. Taschengeld war für mich nie interessant. Ich fragte einfach meine Mutter, ob ich etwas haben könne. Mein Mann bekam ebenfalls so ziemlich alles, was er als Wunsch äußerte. Und weil es wohl Pflicht für „gute Eltern“ war, Taschengeld zu geben, bekam er zusätzlich als Jugendlicher Taschengeld, das er aber kaum nutzte. Zudem wurde er für gute Noten mit Geld „belohnt“.
Nun könnte man meinen, wir hätten als Kinder selbstherrlich ständig Spielzeug gefordert und später keinen guten Umgang mit Geld gehabt. Doch das Gegenteil war und ist der Fall. Wir wurden beide sehr sparsam, hatten gefühlt immer mehr (Bar-)Geld als die Eltern und fanden es eher unangenehm, wenn uns mal wieder ein „Geschenk“ angeboten wurde.
Der berühmte Glaubenssatz „Wer kein Taschengeld bekommt, lernt nicht den Umgang mit Geld“ gilt also nicht. Sicher gibt es Faktoren, die einen ungünstigen Umgang mit Geld fördern, aber das lässt sich nicht per se aufs Taschengeld zurückführen.
Trotz unserer eigenen Erfahrung beschlossen wir jedoch, unserer Tochter ebenfalls 1€ Taschengeld pro Woche zu geben. Was soll schon passieren?!
Doch es passiert etwas…
Während es vorher zwar Wünsche gab, forderte sie nun ein, am PC nach Spielzeug zu suchen, das sie sich – möglichst sofort – kaufen könnte. Schnell stellte sie fest, dass sie von ihrem Geld nicht viel kaufen konnte. Das führte einerseits dazu, dass wir daraufhin nur noch bei ebay Kleinanzeigen suchten. Andererseits spürte ich plötzlich das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl von Mangel. Ganz subtil war ihr Gefühl von „Ich habe alles, was ich brauche“ zu „Ich habe zu wenig“ gewechselt. In den nächsten Wochen ging es permanent darum, wann sie denn endlich mehr haben könne, weil es ja immer noch nicht für dieses und jenes reichen würde. Ihre Gedanken kreisten um Spielzeuge, die ihr vorher egal waren. Vorher hatte es gereicht, zu „wissen“, dass es diese vielleicht zum nächsten Geburtstag geben würde. Und bis dahin waren sie meist schon wieder vergessen und etwas anderes interessanter.
Es waren bereits sechs Wochen vergangen – das Mangel-Gefühl und die Gespräche dazu hatten nicht nachgelassen -, da waren wir bei Freunden eingeladen, die einen dreijährigen Sohn hatten. Die Kinder spielten und ich unterhielt mich. Da sah ich plötzlich, dass unsere Tochter aus dem Zimmer kam und etwas Kleines in ihre Jackentasche stopfte. Ich machte mir keine weiteren Gedanken dazu und wir fuhren später nach Hause. Doch mir ging die Szene nicht aus dem Kopf, also fragte ich sie, was sie denn in ihre Tasche getan hätte. Sie antwortete „Nichts!“. Ich bohrte weiter nach, doch sie wollte es nicht sagen. Also schaute ich nach.
Was ich fand, schockierte mich. Ich fand einen 50€-Schein. Was war das? Woher kam das? Wieso war das in ihrer Tasche? Ich rief also bei den Freunden an und sie sagten mir, dass ihr Sohn ein Portemonnaie in seinem Zimmer und vor Kurzem von seinen Großeltern Geld bekommen hätte. Und ja, das Geld wäre jetzt nicht mehr drin.
Ich war schockiert. Wieso hat sie das mitgenommen? Sie hatte noch nie einen 50€-Schein in der Hand gehalten und wenn überhaupt nur ein geringes Verständnis für den Wert des Scheines.
Der innere Mangel hatte sie so sehr erfasst, dass sie bereit war, jede Chance zu nutzen, um Geld einzustecken. Schon zu Hause war mir aufgefallen, dass herumliegende Münzen plötzlich ihr Interesse weckten und sie jedes Mal fragte, ob sie diese haben könne.
Ich entschied, dass das Thema Taschengeld nun ein Ende hätte. Wir sagten ihr, dass es keines mehr geben würde und dass wir von nun an wieder gemeinsam entscheiden, was wir ihr kaufen oder nicht. Als wäre eine große Last von ihr gefallen, atmete sie auf und sagte „Ok“. Wir brachten natürlich das Geld den Freunden zurück und damit hatte sich das Thema erstmal erledigt. Schlagartig hörte das ständige Suchen nach Spielzeug auf. Ihr Mangel wich wieder dem Gefühl von „Ich habe alles, was ich brauche“ und wenn sie etwas kaufen wollte, das ich nicht für lebensnotwendig hielt, war sie zufrieden mit der Aussage, dass sie es sich zum Geburtstag wünschen könne.
In den wenigen Taschengeld-Wochen hatte sie mehr von ihrem Geld ausgegeben als jemals zuvor. Sie war zwar auch stolz auf das, was sie selbst gekauft hatte. Das führte aber nicht dazu, dass es deshalb länger interessant war. Auch diese Gegenstände verschwanden nach zwei Wochen in der Ecke.
Was steht nun hinter meinen Gedanken zum Taschengeld?
Der Fokus aufs Geld lässt einen inneren Mangel in uns entstehen. Statt uns reich zu fühlen, sehen wir nur, was wir noch nicht haben oder uns weggenommen werden könnte. Und automatisch ist es immer zu wenig. Denn je mehr Geld wir haben, desto größer werden die Forderungen. Viele Erwachsene zeigen uns dieses Phänomen täglich. Erst muss es der größere Fernseher sein, dann das größere Auto, dann das größere Haus. Und wenn unser Einkommen nicht reicht, verschulden wir uns halt. Bestes Beispiel: Immobilienblase.
Ebenso wie in meiner Partnerschaft ist es mir für unsere Kinder wichtig, dass sie ein Gefühl für unser Geld als Gemeinschaft entwickeln. Es geht also nicht nur um ihre eigene Spardose, sondern darum, dass jeder von uns sinnvoll mit unserem gemeinsamen verfügbaren Geld umgeht. Und dass jeder bewusst darüber nachdenkt, was wir wirklich brauchen und ob es uns dafür immer gehören muss, ob also das Ausleihen nicht auch mal eine Alternative wäre.
Zum Thema Geld gibt es eine Menge Glaubenssätze, die tief in unserer Gesellschaft verankert sind. „Für Geld muss man etwas leisten“, „Geld fällt nicht vom Himmel“, „Geld verdirbt den Charakter“, „Wer Geld hat, hat keine wahren Freunde“ und viele mehr..
Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Kindern neue, positive (!) Glaubenssätze mitgeben. Und das bedeutet sehr wahrscheinlich auch, dass wir anders mit Taschengeld umgehen müssen, wenn wir erkennen, dass es einen inneren Mangel im Kind hervorruft. Möglicherweise ist das nicht bei jedem Kind so. Ich kann nur für unser Kind sprechen. Mein Wunsch ist es, dass unsere Kinder immer das Gefühl von innerem Reichtum haben und lernen, dass Geld ein Tauschmittel ist, das vor allem dazu dient, im Fluss zu bleiben und uns mit Menschen zu verbinden. Ich gebe also lieber Geld aus, um einen schönen Ausflug mit Freunden zu machen, als das neuste Handy zu kaufen.
Innerer Reichtum entsteht, wenn wir erkennen, dass wir zum Leben vor allem gegenseitige Achtung und Liebe brauchen und wir unabhängig von allen Gegenständen sind. Sie werden uns nie glücklich oder satt machen.
Um sich innerlich reich und dem Geld „wert“ zu fühlen, müssen wir uns einerseits unabhängig vom Geld machen und andererseits die feste Überzeugung in uns entwickeln, dass das Geld von sich aus zu uns kommt und wir immer genug Geld zum Leben haben werden. Geld kann viel Gutes bewirken, wenn wir in Verbindung mit unserer inneren Stimme sind und es füreinander einsetzen, statt es in Konsum zu verschwenden. Es bietet uns Freiheit und gibt uns Einflussnahme. Daher dürfen wir für unsere Leistung Geld verlangen!
Das Geld ändert erst sein Gesicht, wenn wir nur noch FÜR Geld handeln und nicht mehr aus Menschlichkeit, und wenn ein Gefühl von Verlustangst entsteht. Dann sind wir abhängig vom Geld und rennen ihm panisch hinterher. Diese Verlustangst entsteht, wenn wir vergessen, dass das Wesentliche des Lebens nicht käuflich ist: Beziehungen, Austausch, Achtung, Wertschätzung, Liebe.
Was geschah bei dem befreundeten Kind?
Mittlerweile gibt es schon seit 1 1/2 Jahren Taschengeld. Während unsere Tochter bei Geldgeschenken überlegt, was sie sich selbst und ihrem Bruder davon kaufen könnte, spart ihr Freund jeden Cent, um seine gewünschten Spielzeuge zu kaufen. Für seinen Bruder bleibt da nichts übrig. Wenn er den Eltern helfen soll, fragt er mittlerweile, ob er dafür nicht Geld bekommen könnte. Schließlich tut er etwas über seinen Aufgabenbereich hinaus.
Wie ist es bei uns nach 1 1/2 Jahren?
Unsere Tochter hat seitdem kein Taschengeld mehr gefordert, obwohl sie nun wieder auf besondere Wünsche warten muss. Ich vermittle ihr das Gefühl, dass wir uns theoretisch alles kaufen könnten, was wir uns wünschen, dass dafür aber oft viele Ressourcen verbraucht würden, unser Haus immer voller würde und wir immer abhängiger von Gegenständen würden.
Der Umgang mit Geld ist kein leichtes Thema. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Ich folge dabei meinen Beobachtungen und meiner inneren Wahrnehmung.
Für einen guten Umgang mit Geld sollten wir unsere eigenen Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen und bei Einführung von Taschengeld ganz genau beobachten, wie unser Kind darauf reagiert. Das Thema Geld ist unglaublich wichtig, denn es beeinflusst unser Leben als Erwachsen essenziell. Wenn wir negative Glaubenssätze dazu in uns tragen, können wir beruflich nicht glücklich werden und rennen Zielen und Wünschen hinterher, die uns in ungesunde Abhängigkeiten bringen und in ein Hamsterrad sperren. Je mehr Konsum, Luxus und Platz ich brauche, desto mehr muss ich arbeiten und mich an schwierige Umstände anpassen. Der umgekehrte Weg ist, seinen nötigen Wohnraum nicht mit dem Gehalt steigen zu lassen, sich bei jedem Kauf zu überlegen, wie notwendig er ist, und sich nicht mit Genussmitteln innerlich abzulenken.
Minimalismus ist nicht der Weg für alle. Ich glaube aber, dass sich jeder davon etwas abschauen und auf seine Art umsetzen kann. Auf diese Weise tun wir für unser eigenes Glück und das der Erde viel Gutes!
wunderbare Beobachtungen, die es verdienen, weit verbreitet zu werden. Die Sache mit dem „Taschengeld schult den Umgang mit Geld“ ist wirklich sehr vielen eingeprägt worden.
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