Unsere Tochter ist nun fast 8, unser Sohn 4 Jahre alt. Wir blicken also auf eine gewisse Zeit der Erziehung zurück. Ich selbst bin bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, was per se gewisse Umstände mit sich bringt. Zum Beispiel mehr Einbeziehung in alltägliche Tätigkeiten, weil eben nur zwei erwachsene Hände vorhanden sind. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann war und bin ich auf eine Eigenschaft von mir sehr stolz:
meine Selbstständigkeit.
Schon in der Grundschule fiel mir auf, dass es für mich selbstverständlich war, meine Kleidung morgens selbst auszuwählen. Ebenso alleine mit Wecker aufzustehen, mein Frühstück zu machen, mit Blick auf den nächsten Morgen frühzeitig ins Bett zu gehen und meine Hausaufgaben alleine zu organisieren. Meine Mutter war nicht mit mir überfordert, aber ihr Motto war schon immer: Wenn ich das Kind selbst wählen und die Konsequenzen im Zweifel spüren lasse, wird es von selbst sinnvoll handeln. Ich wuchs nicht grenzenlos auf, hatte aber deutlich mehr Freiheiten als alle meine Freunde damals. Ich durfte einfach vieles selbst entscheiden, und weil meine Mutter mit vielen Themen gleichzeitig beschäftigt war, erledigte ich auch viele Aufgaben sehr früh alleine, weil es mir zu mühsam war, abzuwarten, bis sie Zeit hatte und sie von der Notwendigkeit zu überzeugen.
In unserer vierköpfigen Familie ist das etwas anders. Wir sind zwei Erwachsene. Wir haben vier Hände für zwei Kinder. Ich konnte es mir immer erlauben, nur Teilzeit zu arbeiten. Ich bin eine sehr entspannte Mutter, die in 90% der Zeit mit allen Situationen sehr locker umgehen kann und zudem immer darauf achtet, Abläufe so entspannt und effizient wie möglich zu gestalten (Bsp.: Stillen im Tragetuch, statt Baby rausholen). Das hat zur Folge, dass ich nicht nur die meisten Tätigkeiten (waschen, Spülmaschine ausräumen, Staub saugen etc.) nebenbei sehr schnell erledige, sondern auch noch die Tätigkeiten, die unsere Kinder schon alleine machen könnten, übernehme. Ich wähle oft Geschwindigkeit vor Delegation. Ich schmiere den Kindern also lieber das Brot, als die Geduld aufzubringen, sie es selbst schmieren zu lassen und vermutlich danach den Tisch wischen zu müssen. Statt unserer Tochter einen Wecker neben das Bett zu stellen und sie im Zweifel zu spät zur Schule kommen zu lassen, verbringen wir jeden Morgen 10 Minuten damit, sie aus dem Bett zu ziehen. Statt sie einfach mal Nudeln alleine kochen zu lassen (und danach Wasser, Salz und Nudelreste aufzuräumen), kochen wir lieber schnell selbst. Vor allem Streit- und Quengel-Situationen versuche ich, bestmöglich vorzubeugen, indem ich immer Essen, Trinken und ein Spielzeug parat habe. Folge: Sie sind empört, wenn ich es dann doch mal vergesse, sehen aber nicht bei sich die Verantwortung, daran zu denken.
Heute schaue ich auf unsere Kinder und bin natürlich sehr stolz auf sie. Ich sehe allerdings auch, was unser Umgang mit ihnen macht. Tendenziell lassen wir sie schon vieles alleine machen, wo andere ihren Kinder noch mehr abnehmen. Doch gerade was die alltäglichen Tätigkeiten angeht – also das, was wir im Leben später können sollten, bevor wir ausziehen – nehmen wir ihnen diese aus Ungeduld, Bequemlichkeit und vielleicht auch manchmal aus Angst oder aus Gutmütigkeit ab.
Ja, unsere Kinder sind noch jung. Aber jedes Mal, wenn ich frage, ob sie die Spülmaschine ausräumen wollen, sind sie hellauf begeistert und stolz, mitmachen zu dürfen. Das trifft nicht auf alles zu, aber gerade durch die Einbindung der Kinder in die Aufgaben des Lebens werden sie selbstständig. Nicht, indem wir sie vor jeder kleinsten Gefahr schützen, Angst um unsere Teller oder den neuen Tisch haben und ihnen alles, was sonst etwas länger dauern oder kaputt gehen könnte, abnehmen. Schon in meiner ersten Schwangerschaft hatte ich mir vorgenommen, meine Kinder auf diese Weise selbstständig zu erziehen. Doch ich stelle nun nach 8 Jahren fest, dass ich in den ersten Jahren noch sehr darauf geachtet hatte, ihnen Entwicklungsschritte nicht abzunehmen, doch bei den etwas „schwierigeren“ und mit mehr Chaos oder kaputten Gegenständen verbundenen Aufgaben diese oft nur abgebe, wenn ich sie tatsächlich zeitlich nicht schaffe oder alles so hermetisch abgeriegelt habe, dass nur noch sehr wenig schief gehen kann. Und weil sich der Alltag auch mit meinen Erledigungen meist noch gut anfühlt, lasse ich die Kinder lieber spielen, als sie in diesem Moment in die Arbeit einzubinden. Das führt dazu, dass sie eben keine Verantwortung dafür übernehmen, rechtzeitig schlafen zu gehen, denn wir holen sie ja im Zweifel mit Druck morgens aus dem Bett. Auch quengeln sie jedes Mal, wenn ihnen plötzlich einfällt, dass sie nun Hunger haben, weil sie noch nicht wirklich erkannt haben, wie „mühsam“ es ist, das Essen vorzubereiten. Oder es wird gemeckert, dass mal wieder der falsche Belag auf dem Brot war. Wir müssen uns aber bewusst machen: all das sind Tätigkeiten und Verantwortungen, die sie schon übernehmen könnten! Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, sie seien dafür noch zu jung. Natürlich geht am Anfang noch etwas mehr kaputt, aber nach ein paar Versuchen würden sie es schaffen. Wir Eltern müssen nur diese Anfangsphase ohne Eingreifen aushalten!
Es bedeutet aber auch, dass wir sie die Konsequenzen ihres Handelns (Wut anderer Erwachsener, Durchfallen in einer Prüfung, keinen Job nach Schulende etc.) zumuten müssen. Gerne wollen wir sie vor allen negativen Auswirkungen schützen, doch wir lernen eben nur durch das Scheitern, dass wir wieder aufstehen müssen und können! Und erfahren wir dieses Prinzip und diese Fähigkeit nicht als Kind, haben wir es umso schwerer und sind umso ängstlicher als Erwachsener.
Ihnen weiterhin viele Aufgaben abzunehmen war ein schleichender Prozess, den ich lange gar nicht richtig mitbekommen habe, weil es meinen Alltag effizienter macht, wenn ich alles schnell und sauber alleine mache. Doch ich raube ihnen damit viele Momente des Stolzes, des Lernens und schließlich der Selbstständigkeit. Von nun an haben mein Mann und ich also das klare Ziel, ihnen immer mehr Aufgaben spielerisch als Herausforderung (nicht als Strafe) zu übergeben und ihnen auch die schwierigen Situationen zuzumuten. Wir zeigen Wege, aber übernehmen es nicht für sie. Es wird nicht immer zu Begeisterung führen. Aber es sind genau diese Erfahrungen, die sie heute stärken und ihr ganzes Leben lang selbstsicher und mutig machen werden!
Ich kann mich heute noch an ein wichtiges Erlebnis erinnern:
Ich war 16 Jahre alt und mein Personalausweis war abgelaufen. Antwort meiner Mutter: dann beantrage einen neuen. Ich: wie macht man das denn? Sie: such die Telefonnummer vom Bezirksamt raus, ruf an und dann gehst du hin. Ich: kannst du das nicht mit mir machen? Sie: nein.
Verdammt war ich wütend auf sie, dass sie mich diesen Mist alleine machen ließ. Ich hasste es, unwissend und unsicher irgendwo anzurufen und blöde Fragen zu stellen. Doch ich schaffte es natürlich. Der Erfolg dieser Aktion machte mich lange sehr stolz, weil ich gelernt hatte, zu was ich alleine in der Lage bin und dass ich wirklich alleine zurechtkommen konnte.
Schenkt euren Kinder so viele Chancen wie möglich, in denen sie mutig vorangehen, ihre Ängste überwinden und Herausforderungen meistern können! DAS macht sie stark und selbstsicher für das Leben!
Verinnerliche eine neue Haltung
gegenüber Dir selbst und Deinem Kind!
Dieses Buch begleitet Dich auf diesem Weg:
👉 Auf der Reise zu meinem neuen Bewusstsein 👈
war das eine Rabenmutter ? 😉
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Ich sortiere Menschen bzw. Mütter nicht in solche Kategorien. Jeder macht es so, wie er kann. Dabei freue ich mich umso mehr, wenn sie bereit sind, Impulse aufzunehmen und sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen, statt das ihr bisheriges Verhalten zu verteidigen. Wir sind ja nicht unabhängig von unseren Umständen. Der eine hat mehr Möglichkeiten, der andere weniger. Der eine bekam schon vieles von Zuhause mit, der andere weniger. Sicher ist: jedes Überwinden einer Hürde macht uns stärker!
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