Dieser Bericht wurde vom Krümel-Blog inspiriert, der eine Blogparade zum Thema „Stillen ist Liebe“ ins Leben gerufen hat.
Leider höre ich nur sehr selten Berichte von positiven Erlebnissen und längerem Stillen. Daher ist mir dieser Bericht so wichtig, um Mut zu machen, dass es möglich ist und sich lohnt.
Ich war – für heutige Verhältnisse – mit 23 Jahren noch recht jung für die erste Schwangerschaft. Nie hatte ich mir vorher Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde, woran ich denken sollte und wie es ablaufen könnte. Ich wusste nur:
was immer passiert, ich vertraue meinem Körper ganz und gar, dass er es schafft.
Von meiner Mutter hatte ich vor allem im Kopf, dass ich sehr lange gestillt wurde. Vier Jahre! Das war damals wie heute eine Ausnahmeerscheinung. So lange wollte ich nicht stillen. Klingt doch irgendwie merkwürdig, wenn dein Kind beim Stillen mitreden kann. Fand ich. Aber weniger als ein Jahr wollte ich auch nicht stillen. Ich ging so von zwei Jahren aus, aber eigentlich machte ich mir nie Gedanken darüber. Es sollte sich einfach stimmig anfühlen.Meine Tochter kam im Geburtshaus zur Welt und wurde wenige Minuten nach der Geburt angelegt. Es war der schönste Moment, den ich mir vorstellen konnte. Zwei große dunkle Augen blickten mich von unten an. Sie lag auf meinem Bauch. Und kaum lag ihr Mund auf meiner Brust, fing sie auch schon an, zu saugen. Ein seltsames Gefühl erstmal. Da hing also ein kleiner Mensch an mir und wurde nun durch mich ernährt. Klar, das war im Bauch auch schon so. Aber das konnte ich ja nicht sehen. Und jetzt lag sie da in meinem Arm. Zwei Stunden um genau zu sein, die sich wie fünf Minuten anfühlten. Dann fuhren wir nach Hause und bereiteten unser Bett vor. Hier erst stellten wir fest, dass wir keine Ahnung hatten, wie man nun mit so einem Wurm in einem Bett schläft. Wo kommt der Kopf hin? Wie trinkt sie? In den ersten Nächten turnte ich jede Nacht im Bett herum, um die Brust abzuwechseln. Bis ich im Stillbuch las, dass ich ja auch ganz einfach auf dem Bauch liegend stillen kann. Wie war ich dankbar für diesen Hinweis! Von da an war das Stillen selbst nachts kein Problem mehr. Meine Tochter wachte zweimal auf, trank und ich schlief weiter.
So vergingen die Monate. Unsere Hebamme hatte mir noch den ein oder anderen Griff gezeigt, aber schnell war das Kissen weg und die Kleine wurde überall, wo es gerade passte und nötig war, gestillt. Für mich war das Stillen eigentlich nie Thema, weil es funktionierte und seinen Zweck erfüllte. Darauf angesprochen, konnte ich immer nur sagen, dass ich einfach ein tiefes Vertrauen zu meinem Körper hatte und im Zweifel sofort nach neuen Umgangsweisen suchte, wenn etwas nicht gut klappte.
Interessant wurde es eigentlich erst, als die ersten in der Krabbelgruppe abgestillt hatten bzw. mit dem Zufüttern anfingen. Meine Tochter interessierte sich kein Stück für feste Nahrung. Mit 10 Monaten lutschte sie ab und zu mal an etwas Obst. Dann bekam sie endlich mehrere Zähne und aß nun auch mal Brei. Mit einem Jahr kam sie in die Krippe, wo sie ganz normal am Essen teilnahm. Ich stillte weiter. Doch jetzt kam sie in ein Alter, das nicht mehr zum Stillen akzeptiert war. Immer häufiger wurde ich gefragt, wie lange ich denn noch stillen wolle, wie das denn mit dem Kindergarten ginge und ob sie auch andere Nahrung essen würde. Nichts davon war problematisch. Es schien nur einfach keinem möglich zu sein, ein Kind länger als 12 Monate zu stillen. Auch meine Arbeit mit 30 Wochenstunden schränkte es nie ein. Ich habe nie abgepumpt und musste auch nicht zum Stillen in den Kindergarten. Es bekamen nicht einmal besonders viele Menschen mit, weil ich mit irgendeinem Tuch oder einer Jacke immer dezent stillen konnte. Es interessierte mich auch nicht, was man denken könnte. Manchmal sagte ich, dass ich vielleicht zwei Jahre stillen wolle. Doch der zweite Geburtstag kam und ich stillte immer noch. Meiner Tochter war das Stillen nach wie vor sehr wichtig. Ein Jahr lang war es unser Ritual, nach dem Abholen aus der Krippe noch 10 Minuten im Erzieherraum zu sitzen, zu kuscheln und zu stillen. Danach ging es dann auf den Heimweg. Wenn sie mal – was selten der Fall war – Fieber hatte und krank war, trank und schlief sie und war nach wenigen Tagen wieder fit.
Für mich war das Stillen nie eine Einschränkung, sondern eine Befreiung. Mein Kind ließ sich immer schnell beruhigen, Krankheiten waren kaum Thema und nachts konnte ich immer durchschlafen. Ich trinke zwar tatsächlich seitdem keinen Alkohol mehr, aber letztlich war das eine persönliche Entscheidung und kein Zwang durchs Stillen. Mein Körper regenerierte sich enorm schnell nach der Schwangerschaft und wenn ich mal abends weggehen wollte, passte ich das anfangs so ab, dass unsere Tochter schlief und später gab es dann halt keine Muttermilch, sondern richtiges Essen. Nur weil man stillt, heißt das ja nicht, dass ein Kind nichts anderes zu sich nimmt.
Dann war sie drei Jahre alt. Immer noch begleitete mich die Frage, wann ich denn abstillen wolle. Ich wusste es immer noch nicht. Mittlerweile war ich jedoch wieder schwanger und die Brust etwas empfindlicher. Zu häufiges Stillen nervte mich in angespannten Situationen und plötzlich machte sich doch der Gedanke in mir breit, ob ich es körperlich schaffen würde, zwei trinkende Kinder zu haben. Der Geburtstermin näherte sich und ich wurde nervöser. Unsere Tochter jedoch ließ nicht vom Stillen ab. Ich schränkte die Stillzeiten stärker ein. Zum Einschlafen war es noch ok. Obwohl ich so viel darüber laß, dass sich der Geschmack verändern würde und die meisten Kinder sich daher eh von selbst in dieser Zeit abstillen, passierte dies bei uns nicht. Ich nahm nun mehrere Situationen in Kauf, in denen sie bitterlich weinte, weil sie trotzdem trinken wollte. Eines Abends saß ich dann mit einer Freundin im Café. Meine Tochter hatte die ganze Zeit ruhig gespielt und war zufrieden. Als wir jedoch los wollten, wollte sie plötzlich trinken. Ich sagte nein. Und sie fing nicht nur furchtbar an zu schreien, sondern wehrte sich auch mit Händen und Füßen. Sie schlug mich und schrie das ganze Café zusammen. Es tat mir in der Seele weh. Wie konnte ich ihr diesen Schmerz antun? Schließlich trank sie und schlief sofort selig in meinem Arm ein. In diesem Moment wusste ich, dass ich diese Entscheidung nicht allein treffen konnte und dass ich es im Zweifel auch mit zwei Kindern schaffen würde.
Und das tat ich! Unser Sohn kam gelassen Zuhause zur Welt und wurde sofort literweise mit Milch überflutet, sodass er in wenigen Wochen kugelrund war. Unsere Tochter kam ab und zu noch, um ebenfalls zu trinken. Es war ein unglaubliches Gefühl, zwei Kinder auf dem Schoß zu haben, die Händchen halten und wie eine Einheit gemeinsam tranken. Eifersucht war nie Thema. Nachts hörte unsere Tochter dann sofort auf, die Brust zu verlangen. Tagsüber dauerte es noch ein halbes Jahr. Dann hörte sie von einem auf den anderen Tag komplett auf. Mit 4 1/2 Jahren!
Das Stillen war insbesondere beim zweiten Kind ein Segen, denn ich musste weder Flaschen, noch Gläschen, noch heißes Wasser mit mir herumschleppen. Ich packte unseren Sohn einfach in die Trage, lockerte diese ein wenig und lief los, während er unterwegs trank. Mit einem Schal, der alles verdeckte, bekam keiner mit, was das Baby tat und ich konnte mich um meine Tochter oder das Einkaufen kümmern.
Mittlerweile stille ich meinen Sohn nun auch schon fast drei Jahre und ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Ich blicke also auf knapp sieben Jahre Stillen ohne Unterbrechung zurück, und ich fühlte mich in meinem Körper noch nie so wohl. Auch unser Sohn ist schon seit 1 1/2 Jahren im Kindergarten, isst ganz normal, ist selten krank und kommt auch ohne mich gut klar.
Ob ich nun Glück mit dem Stillen hatte, einfach überzeugt genug davon war oder mein Körper besonders fit war. Ich weiß es nicht. Und natürlich habe ich größtes Verständnis für alle, bei denen es nicht klappen wollte oder für die es eine große Belastung war. Ich konnte damit nur so entspannt umgehen, weil ich gute Berater in meinem Bekanntenkreis hatte und meine Familie immer hinter mir stand.
Finde ich toll, wie offen Du mit dem Thema umgehst. Wenn man bedenkt, daß Du außerdem als hochqualifizierte Wirtschaftsinformatikerin arbeitest, entspricht das so gar nicht dem verbreiteten Klischee, daß Stillen etwas mit rückschrittlichem Bewußtsein zu tun haben soll. Stillen ist im Gegenteil eine Möglichkeit, gerade mit den heute verbesserten Möglichkeiten für Mütter, auch wieder von all den industriell gefertigten Ersatzbefriedigungen wegzukommen.
Merkwürdigerweise erlebe ich immer wieder gerade ältere Mütter von Neugeborenen, die vehement vom Stillen abgeraten bekommen und denen man nicht erklären kann, dass Stillen viel praktischer ist als das nächtliche Wärmen von Milchfläschchen. Sie behaupten steif und fest das Gegenteil und werden fast wütend, wenn man – bzw. frau natürlich – andere Erfahrungen hat.
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