Derzeit lese ich einiges zum Thema „Frauen und Karriere“. Wie zu erwarten war, widmen sich diese Bücher und Artikel insbesondere dem Thema „wie die Familienplanung Frauen bremst, ihre Karrierepläne zu verfolgen“.
Das gerade erschienene Buch Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg von Sheryl Sandberg, der Geschäftsführerin (COO) von Facebook, ist ein Plädoyer an Frauen, ihre Berufswünsche nicht über Bord zu werfen und schon gar nicht, bevor sie überhaupt schwanger sind.
Sie spricht davon, dass Frauen häufig schon vor der Schwangerschaft Aufstiegschancen nicht ergreifen, weil sie denken, dem früher oder später mit Kind nicht gerecht werden zu können. Dabei nennt sie viele Beispiele von Frauen, die trotz Familie eine Karriere als Führungskraft erreicht und gemeistert haben. Ihr sind Frauen in hohen Positionen deshalb wichtig, weil sie der Meinung ist, die Welt wäre eine bessere, wenn mehr Frauen mitsprechen und entscheiden würden.
Auch ich trage den Wunsch von beruflicher Erfüllung in mir und habe schon während der Schwangerschaft entschieden, nicht vollständig auf die Ausübung eines Berufs zu verzichten. Doch während ich diese Texte lese, schwirrt mir immer ein- und dieselbe Frage im Kopf: Kann ich meinen eigenen Erwartungen an mich als Mutter gerecht werden, wenn ich berufliche Erfüllung mit Verantwortung anstrebe?
Natürlich kommt mit dem beruflichen Aufstieg auch ein höheres Gehalt, was es wiederum ermöglicht, mehr Geld in die Kinderbetreuung zu investieren. Als Vorbilder werden Frauen genannt, die vier Monate nach der Geburt wieder in den Beruf zurückkehrten und dafür jeden Tag Milch abpumpten. Oder es wird das Leben einer Familie beschrieben, die für jeden Tag einen Plan haben muss, wer die Kinder abholt, wer abends mit den Kindern beim Abendessen sein kann und wer am Wochenende nicht arbeitet, um mit den Kindern einen Ausflug zu machen. Haushalt und Einkäufe werden geteilt oder von Angestellten erledigt.
Sieht so die erstrebenswerte Zukunft der Vereinbarkeit von Familie und Karriere aus?
Die Rolle der Väter gewinnt in diesem Szenario an Bedeutung. Ohne sie geht gar nichts. Ziel ist es, sie als gleichwertige Partner sowohl im Haushalt als auch in der Kindererziehung zu betrachten. Das ist leichter gesagt als getan. Schon das Stillen legt den ersten Grundstein der innigen und nicht zu ersetzenden Beziehung zwischen Mutter und Kind. Da ziehen sich die Männer oft sehr schnell erstmal zurück, bevor sie das Kind dann im Alter von zwei Jahren als kommunizierendes Wesen entdecken.
Hinzu kommt, dass ich nur wenige Mütter kenne, denen es egal ist, wer ihr Kind erzieht. Die meisten, mich eingeschlossen, haben Freude daran, den größten Anteil an der Kindererziehung zu übernehmen. Sollen wir darauf verzichten, um unsere Karriere zu fördern? Ist denn die Karriere nun wirklich so wichtig?
Manchmal habe ich jedoch auch den Eindruck, Mütter geben ihren Kindern zu viel des Guten.
Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, war ich froh, wenn ich auch mal ohne meine Mutter herumtoben konnte. Es war eine Bereicherung, andere Erziehungsstile kennenzulernen, auf eigenen Beinen zu stehen und mit Kindern zu spielen, statt nur mit Erwachsenen.
Ich persönlich habe mich dafür entschieden, 30 Stunden die Woche zu arbeiten. Mir war es wichtig, nicht ganz den Anschluss zu verlieren und vor allem mein Kind nicht zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen. Ich bilde mich gerne weiter und es stärkt mich, gutes Feedback zu erhalten, für das, was ich als Berufstätige leiste. Es kommt der Zeitpunkt, an dem sich die Kinder mehr außerhalb als innerhalb des Hauses aufhalten, und ich möchte nicht, dass dann meine Welt zusammenbricht und ich mir ganz plötzlich mit Mühe und Not neue Inhalte suchen muss. Das wäre zumindest meine Angst.
Gleichzeitig habe ich große Achtung vor Frauen, die sich entscheiden, ganz zu Hause zu bleiben. Die Kinderbetreuung ist eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft. Ich hätte sofort meinen Job hingeschmissen, hätte ich kein Vertrauen in die Betreuung durch die Kita. Aktuell erscheint es mir oft wie ein Traum, mich ausschließlich um mein Kind kümmern zu können. Einfach Zeit zu haben und diesem überwältigenden kleinen Wesen beim Entdecken der Welt zuzuschauen.
Und auch vor Frauen, die Vollzeit arbeiten, habe ich großen Respekt. Es ist für mich eine unglaubliche Leistung, als Mutter, Frau und Berufstätige ohne Pause tätig zu sein. Ich glaube nicht, dass dies zu Lasten des Kindes geht. Solange die Beziehung zwischen Mutter und Kind sowie Mutter und Vater stimmt, ist es für ein Kind nicht relevant, ob es nun zehn oder nur drei Stunden am Tag mit der Mutter verbringt. Viel mehr ist es oft eine Zerreißprobe für die Frauen, die all diesen Anforderungen gerecht werden wollen oder müssen. Viele davon haben gar nicht die Wahl, Vollzeit, Teilzeit oder gar nicht zu arbeiten. Die finanzielle Lage lässt ihnen keine andere Möglichkeit.
Doch das schlimmste an dieser Diskussion ist für mich, dass die meisten Frauen, haben sie sich erst einmal für eine Variante entschieden, die anderen Varianten ablehnen und schlecht reden. Als würde es hier um den Erhalt des Bundesverdienstkreuzes gehen, bauen viele Frauen durch Blicke und Gespräche hinter dem Rücken anderer eine Art Konkurrenzkampf auf. Klar, wir müssen vor uns selbst rechtfertigen, warum wir so und nicht anders leben. Doch sind deshalb andere Entscheidungen, die vermutlich unter völlig anderen Bedingungen getroffen wurden, schlecht? Und selbst wenn es dieselben Bedingungen sind: Ist eine Hausfrau weniger wert als eine Vollzeit-Berufstätige? Oder umgekehrt: Ist eine Vollzeit-Berufstätige eine schlechtere Mutter als eine Vollzeit-Hausfrau?
Gerade in der Presse werden diese Klischees sehr gerne bedient. Eine Mutter, die 40 Stunden in der Woche arbeitet, kann keine gute Mutter sein. Eine Mutter, die gar nicht arbeitet, lässt sich von ihrem Mann aushalten. Eine Mutter, die Teilzeit arbeitet, ist nie vollständiges Mitglied des Teams.
Ja, verdammt! Wie sollen wir es euch denn recht machen? Egal, wie wir uns entscheiden, einen Tod sterben wir immer. Und leider sind es allzu häufig die Frauen selbst, die diese Vorurteile und Missachtung schüren.
Meine Erfahrung ist, dass es für die Kinder um ganz andere Faktoren geht, damit sie zufrieden sind. Natürlich sind sie glücklich, wenn sie Mutter und Vater häufig und lange sehen. Aber stimmt die Beziehung nicht, ist die Mutter den ganzen Tag unzufrieden zu Hause oder ignoriert sie ihr Kind in den wenigen Minuten, die sie es am Tag sieht, dann hilft keine der Varianten.
Worauf es ankommt, ist der liebevolle, umsichtige und einfühlsame Umgang miteinander. Die Zufriedenheit jedes einzelnen, die er auf die anderen überträgt. Dann ist es dem Kind egal, ob es seine Mutter nun den ganzen Tag sieht oder nur ein paar Stunden.
Also stellt euch die Fragen: Was tut mir gut? Was will ich? Was macht mich zufrieden?
Denn wenn ihr zufrieden und ausgeglichen seid, ist es euer Kind auch.
Weiterer Artikel zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ von Nina Diercks.