Jedes Wort war zuvor ein Gedanke.
Jeder Gedanke bewirkt ein Gefühl.
Jedes Gefühl spiegelt eine Körperhaltung und Verhaltensweise wider.
Jede Körperhaltung und Verhaltensweise beeinflusst unsere Gefühle.
Jedes Gefühl produziert einen Gedanken.
Jeder Gedanke formt ein Wort.
Belächelt und doch immer häufiger empfohlen wird die Lach-Therapie. Dabei soll man einfach nur durchgehend lachen. Am Anfang wirkt es gezwungen, aber je länger man es praktiziert, desto mehr spiegelt es sich in unserem gesamten Gemütszustand. Wie ich bereits in einem anderen Artikel schrieb, prägt sich unser Gehirn das ein, was wir besonders häufig wiederholen.
Das kann der Arbeitsweg sein, es kann aber auch ein Satz sein, den wir sehr oft hören.
Vor einigen Tagen hörte ich eine Mutter zu ihrem Kind sagen: „Du machst mich wahnsinnig!“. Auch häufig höre ich „Immer musst du so trödeln.“, „Du machst mich verrückt!“ oder „immer störst du!“.
Wie ich eingangs beschrieb, hat jedes Wort eine Wirkung auf uns. Besonders stark auf Kinder, wenn sie einen Satz immer und immer wieder hören. Das Wort „immer“ spielt dabei auch eine große Rolle. Es impliziert, dass jemand etwas tatsächlich immer auf dieselbe Weise tut. In diesem Fall natürlich mit einem negativen Verhalten verbunden. Als könnte er es nicht anders tun. Das Gehirn versteht: Tu es immer so!
Denn das Gehirn versteht kein „nicht“. Insbesondere das Gehirn von Kindern radiert das „nicht“ in einem Satz einfach weg, denn es kann damit noch nichts verbinden und gleichzeitig konzentriert sich das Gehirn auf das, was gerade beschrieben wurde.
„Fall NICHT runter!“: Das Gehirn versteht im ersten Moment „Fall runter!“
„Denk NICHT an den rosa Elefanten!“: Das Gehirn versteht „Denk an den rosa Elefanten!“
Werfen wir einem Kind also sehr häufig den Satz vor „Immer störst Du mich!“, wirkt dieser Satz bei mehrfacher Wiederholung als selbsterfüllende Prophezeiung. Es akzeptiert quasi einfach, dass es so ist und nimmt es als Wahrheit hin. Beim Autofahren rät man, wenn man von der Straße abkommt, nicht auf die Mauer, sondern dorthin zu schauen, wo man hinfahren will. Warum? Weil wir automatisch dorthin lenken, wo wir hinschauen. Ebenso „schaut“ unser Gehirn auf das, was es gesagt bekommt. Wir Erwachsenen sind in den ersten Jahren diejenigen, die dem Kind zeigen, wo es „hinschauen“ muss. Auf die Mauer oder auf die geteerte Straße?
Wir müssen viel sensibler werden, welch eine Wirkung unsere Worte haben.
Lasst einmal den Satz „Du machst mich wahnsinnig!“ auf euch wirken. Was steckt in diesem Satz? Ist er nicht beängstigend? Würdet ihr als Kind nicht auch denken „Ich will doch aber meiner Mama nicht wehtun! Mache ich meine Mama krank?“. Irgendwann reagiert das Kind dem Satz gegenüber vielleicht mit Gleichgültigkeit, weil die Mutter ihn immer wieder sagt und das Kind nicht weiß, was es darauf erwidern soll. Aber im Herzen wirkt er. Er macht Schuldgefühle. Er macht traurig. Die Worte werden zu Gedanken. Und die Gedanken werden zu Gefühlen. Und die Gefühle spiegeln sich in der Körperhaltung des Kindes wider.
Kinder sind so sensibel. Wenn wir achtsam mit unseren Worten sind, erhalten wir die Sensibilität des Kindes. Es lernt, dass Worte eine Bedeutung und Wirkung haben, und die Gefühle, die es bei diesen Worten hat, nicht einfach runtergeschluckt werden müssen. Je achtsamer wir im Alltag in unserer Wortwahl sind, desto mehr fällt dem Kind auf, wenn es Worte hört, die verletzen, und kann so mit seiner Ur-Sensibilität darauf reagieren.
Viele sagen an dieser Stelle jedoch, dass wir es uns heutzutage nicht mehr erlauben können, so sensibel auf andere zu reagieren. Zum Einen weil viele ihre Worte eben nicht mehr achtsam wählen, gleichzeitig aber vielleicht auch gar nicht das meinen, was sie sagen. Und zum Anderen weil wir dann möglicherweise ständig in Trauer, Angst und Wut verfallen müssten, wenn wir ein derart verletzendes Wort hören, das leichtsinnig verwendet wurde.
Da ist natürlich etwas dran. Irgendwie müssen wir sicher unsere Kinder auf diese Realität vorbereiten. Und doch sehe ich auch keine Alternative darin, unsere Kinder abstumpfen zu lassen, so wie es derzeit Gang und Gebe ist. Wir stumpfen ab, während wir ständig Kriegsbilder im Fernsehen sehen. Wir stumpfen ab, während wir ständig von Ermordung und tödlichen Unfällen hören. Wir stumpfen ab, während wir auf Armut und Leiden nicht mehr reagieren.
Damit finde ich mich einfach nicht ab. Die Welt kann erst dann ein wenig besser werden, wenn wir wieder achtsamer miteinander umgehen.
Und diesen Keim pflanzen wir im Kindesalter.