„Du stellst dich immer so blöd an!“

Unser Gehirn funktioniert ganz einfach: Wiederholung prägt sich ein.

Beim ersten Mal ist ein Weg noch unbekannt und dauert lange. Bereits beim zweiten Mal geht er deutlich schneller und wir haben uns erste Eckpfeiler eingeprägt. Mit jedem weiteren Mal wird er uns vertrauter, bis wir ihn schließlich mit verbundenen Augen gehen könnten.

Im Laufe der Zeit, die man mit seinem Kind verbringt, glaubt man, dessen Eigenheiten, Stärken und Schwächen zu kennen. Die Fähigkeiten eines Menschen verändern sich sehr häufig. Besonders natürlich in den ersten Lebensjahren.

Was passiert dann, wenn wir unserem Kind immer und immer wieder sagen: „Du kannst einfach nicht rechnen.“ Oder „Du stellst dich immer so blöd an.“ Oder anderen erzählen: „Mein Kind tut sich immer weh.“ Oder „Mein Kind lernt nie, vernünftig zu essen.“ Oder „Mein Kind mag kein Gemüse.“ Oder „Mein Kind ist immer so tollpatschig.“ All das sind Eigenschaften, die sich jederzeit ändern können, doch wir behandeln sie, als seien sie in Stein gemeißelt und das Kind würde so bleiben bis es 80 ist. Egal, ob wir solch einen Satz im Beisein des Kindes oder ohne es sagen, es bekommt die innere Einstellung der Eltern mit. Jeder Mensch zeigt einen kurzen Moment der Freude, wenn eine Erwartung bestätigt wird. Erfüllt das Kind also die Erwartung, tollpatschig zu sein, nimmt es unbewusst wahr, dass es damit einen kurzen Moment der Freude hervorruft.

So wie wir uns den Weg nach fünfmaligem Gehen merken, so prägt sich ein Wort in unserem Gehirn ein, das wir 100 mal hören. Das Schlimme bei einem Wort ist, dass es zu einer so genannten selbsterfüllenden Prophezeiung wird: Wir steuern den besagten Zustand an, ob wir wollen oder nicht.
Doch auch ein Wort wie „lieb“ hat seine Tücken. Ein Kind, das immer zu hören bekommt „Du bist so lieb“, kann seine Mitschüler durchaus mit Begeisterung schlagen, denn sein Gewissen sagt ihm „Ich bin doch so lieb.“

Solch ein Wort oder Satz wirkt sowohl im negativen als auch im positiven Sinne.
Wenn ein Kind also mit Beschreibungen seiner selbst begleitet wird, sollten es zumindest Sätze sein, die es fördern. Z.B.: „Du kannst richtig gut rechnen.“ Oder „Ich finde es toll, dass du so ordentlich bist.“
Alles andere sollte einfach weggelassen werden.

4 Gedanken zu „„Du stellst dich immer so blöd an!“

  1. Ich ertappe mich auch so oft, dass ich mein Kind bewerte und noch schlimmer, dass ich das Wort „immer“ davor setze, obwohl ich das echt schrecklich finde. Ich merke es immerhin, dass ich das mache und versuche es dann nochmal mit einer anderen Formulierung. Ist echt dumm, dass solche Bewertungen so in uns drinnen sind. Ich denke mal, dass die meisten von uns auch mit solchen Bewertungen aufgewachsen sind und es deshalb so schwer ist, dies zu unterlassen.

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  2. Ja, das mit dem Bewerten ist so eine Sache. Wenn man als Kind keine Unterstützung von den Eltern erfahren hat, neigt man wohl dazu, sein Kind zu loben für die Dinge, die es tut, auch wenn es erst mal noch nicht viel kann („Toll gepupst!“ :-)), aber es wird mehr, was es kann, und es begegnet einem ja täglich ein kleines neues Wunder, das die kindliche Entwicklung so mit sich bringt. Ich versuche darauf zu achten, das Tun meines Kindes zu bewerten (zu loben), nicht die Person, aber es rutscht schon hin und wieder ein „Du bist eine tolle Maus!!!“ mit raus, und es fühlt sich einfach nicht falsch an. Da mein Mutterinstinkt mich bisher nie getäuscht hat und mein Gefühl das Einzige war, auf das ich mich immer verlassen konnte, würde mich mal Deine Meinung zum Thema Lob interessieren. Ich habe mal gelesen, dass Lob (ich vereinfache etwas) nicht gut ist, weil das Kind dann davon abhängig werde und nichts aus intrinsischer Motivation heraus mehr tut, sondern nur weil es auf das Gelobt werden konditioniert sei. Mein Gefühl ist, dass das kindliche Tun trotzdem aus dem Inneren heraus kommt und dass Lob etwas Gutes ist. Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Wertschätzung und Feedback.

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    • Das habe ich auch schon gelesen. Ich persönlich lobe meine Tochter auch ständig. Sie ist dann auch immer ziemlich stolz, wenn sie merkt, dass sie etwas gemacht hat, was ich toll fand. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass sie es einzig dafür macht, um ein Lob zu bekommen.
      Man sollte vielleicht nicht jede Normalität loben. Ich achte darauf, dass ich ihr nicht nur über das Lob Aufmerksamkeit gebe, sondern auch beispielsweise durch gemeinsames Spielen oder Erklären der Umgebung, wenn wir unterwegs sind.
      Ich denke, die Konditionierung entsteht nur dann, wenn das Lob die einzige oder hauptsächliche Art der Aufmerksamkeit für das Kind ist.

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  3. Ich achte darauf, dass ich ihr nicht nur über das Lob Aufmerksamkeit gebe, sondern auch beispielsweise durch gemeinsames Spielen oder Erklären der Umgebung, wenn wir unterwegs sind. – Ja, das mache ich auch. Deine Erklärung klingt logisch. Danke!

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