Nachgeben oder standhaft bleiben?

Wie jeder mit Kind feststellen wird, ist das ein wirklich schwieriges Thema. Wir wollen nicht zu hart sein oder manchmal nicht unser Gesicht verlieren, wenn wir erstmal etwas verboten haben.

Auf einen Kommentar antwortete ich Folgendes: Es ist ein Abwägen, wie wichtig es mir in dem Moment ist, dass meine Tochter meinem Wunsch folgt. Manchmal sehe ich ein, dass ihr Einwand berechtigt ist. Dann gebe ich nach. In anderen Situationen wiederum erkläre ich ihr die Situation und setze meinen Wunsch durch, wenn sie es partout nicht einsieht. Mir ist dabei wichtig, dass es eindeutige Situationen gibt, in denen sowohl ich als auch mein Mann immer gleich reagieren. Diese haben wir so gut es geht vorher geklärt, damit für uns und auch für unsere Tochter klar ist, wann es definitiv keine Diskussion gibt, weil es sich beispielsweise um eine gefährliche Situation handelt.
Wenn ich überlege, ob ich nun nachgebe oder meinen Wunsch durchsetze, habe ich stets im Kopf, dass auch ich mich irren kann. Dann entschuldige ich mich sogar und bleibe dennoch innerlich groß. Irren ist auch nur menschlich, und nur weil ich die Mutter bin, muss ich nicht so tun, als würde ich nie Fehler machen. Es kann auch passieren, dass ich auf eine Weise und mein Mann auf andere Weise reagiert in derselben Situation. Auch das ist menschlich. Man kann dann sagen: „Ich weiß, dass Papa dich trägt, wenn du nicht im Kinderwagen sitzen möchtest, ich mache das leider nicht. Das ist in Ordnung. Wir sind unterschiedlich.“ Es ist nur wichtig, dass das Kind die Erwachsenen nicht ausspielt, indem es erst zum einen läuft, ein Nein hört, dann zum anderen läuft und dieser dann ja sagt. Wir handhaben es so, dass wir dann entweder wiederholen: „Papa hat nein gesagt.“, sofern wir die Antwort des anderen gehört haben. Oder fragen: „Was hat denn Papa dazu gesagt?“ Ich bestätige dann seine Antwort, auch wenn ich in der Situation eigentlich anders geantwortet hätte. Es ist wichtig, dann einer Meinung zu sein.

Ein Leser dieses Blogs schlug vor, die Tochter beim Rutschen zu fragen, wie oft sie noch rutschen wolle.

Ein Kind sollte nicht das Gefühl haben, die Eltern in der Hand zu haben. Aber es hat natürlich Mitspracherecht. Wenn sie sagt, wie oft sie noch rutschen will und die Mutter diese Anzahl mit einer Bedingung verknüpft, beispielsweise dass danach aber definitiv der Heimweg angetreten wird, lernt das Kind, sich auf eine verhandelte Bedingung einzulassen und diese dann auch zu befolgen, wenn es dafür seinen Wunsch erfüllen konnte. Der Erwachsene geht einen Schritt auf das Kind zu, weil er dessen Wunsch nach mehr Rutschen folgt und bleibt dennoch groß, weil er seinem Wunsch ebenso treu bleibt. Will das Kind nach den x Mal nicht mitkommen, teilt der Erwachsene klar mit, dass es aber so vereinbart wurde und nimmt das Kind dann mit. Dann empfindet das Kind die Entscheidung nicht als willkürlich, sondern nach und nach als verständlich. Es lernt: Die Erwachsenen nehmen meine Wünsche ernst.
Ich habe festgestellt, dass dieses „kleine“ Entgegenkommen des Erwachsenen eine enorme Wirkung hat. Während ich anfangs oft meinen Willen durchsetzte, damit ich beispielsweise endlich weitergehen und meinem Ziel näher kommen konnte, komme ich nun meiner Tochter immer einen Schritt entgegen. Vorher konnte ich dann zwar weitergehen, hatte aber ein schreiendes, unzufriedenes Kind. Jetzt brauche ich 10 Sekunden länger, weil sie noch mal „kurz“ (von 10 bis 1 zählen) einen Käfer beobachtet und habe dann ein fröhlich, neben mir herlaufendes Kind. Ja, sie will daher natürlich öfter noch „kurz“ etwas machen. Aber den Impuls hätte sie ja auch, wenn ich ständig meinen Willen durchsetzen würde. Der entscheidende Unterschied ist, jetzt kommt sie freiwillig, aus eigenen Stücken mit gutem Gefühl mit. Bevor ich auf diese Weise mit ihr umging, lernte sie, dass ihre Bedürfnisse nicht zählten. Jetzt weiß sie, dass ich nichts grundlos durchsetze, gerne auf sie zukomme und sie dennoch auf meine Worte hören muss.

Werbung

3 Gedanken zu „Nachgeben oder standhaft bleiben?

  1. Ich denke auch, dass man sich bei seinen Kindern entschuldigen soll, wenn man sich irrte. Da merkt man erst mit welch offenem Herzen Kinder vergeben können!
    Ich kann nur bestätigen, dass Kinder sehr gut zwischen zwei Erziehungsstilen (Mama und Papa) unterscheiden und dies akzeptieren können, so wie es im Artikel beschrieben ist.
    Gestern habe ich die „Kurz-Methode-mit-rückwärts-zählen“ bei meiner Tochter ausprobiert, funktionierte fantastisch, danke dafür!

    Like

  2. Diese „schrittweise“ Methode, sich gegenseitig zu verständigen, finde ich wunderbar. Ein schönes Beispiel dafür, wie Kinder uns „lehren“, miteinander statt gegeneinander zu leben, und wie subtil die kleinen Schritte zur Verständigung funktionieren.

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s